Aktive Rehkitzrettung
Projekt Kitzrettung bietet effiziente Hilfe beim gesetzlichen Tierschutz für Landwirte – Netzwerk sucht weitere Unterstützer
REGION/SCHLÜCHTERN (skr). Rund 100.000 Rehkitze fallen jedes Jahr zwischen Mai und Juni der Mahd zum Opfer. In den ersten sechs Lebenswochen fehlt den kleinen Tieren der Fluchtinstinkt. Droht Gefahr, drücken sie sich in den Grasboden hinein und warten still und bewegungslos auf die Rückkehr ihrer Mutter. Zum Schutz vor hungrigen Räubern eine perfekte Strategie der Natur, zumal die Kitze noch keinen Eigengeruch entwickelt haben, doch vor den Messern der Mähmaschinen schützt auch die beste Tarnung nichts.
Des alljährlich wiederkehrenden Problems hat sich das Team vom Projekt Kitzrettung-Hilfe angenommen. Seit zwei Jahren helfen die Naturschützer beim Absuchen der Schläge kurz vor der Mahd: Organisierte Hilfstrupps stellen Flatterbänder auf, durchqueren die Wiesen mit Hunden und sorgen für Unruhe und „rehfeindlichen“ Geruch in der Wiese. Ihre Bilanz für 2018 kann sich sehen lassen: auf insgesamt 1.500 Hektar derart inspizierter Nutzfläche im Landkreis Vogelsberg und Fulda sind im genannten Zeitraum von Mai bis Juni 297 Rehkitze vor dem sicheren Tod durch Mähmaschinen gerettet worden, vor allem durch den Einsatz Drohnen-gesteuerter Wärmebildkameras.
Noch mehr Landwirte erreichen
Mittlerweile haben sich über 200 ehrenamtliche Helfer auf der Homepage des Projektes registriert, die diese Vorsorge-Aktionen auf Wiesen und Feldern unterstützen wollen. Initiator und Vorstandsvorsitzender der Jägervereinigung Lauterbach, Ulli Weidner (71), ist seit Gründung des Projekts schon sehr weit gekommen mit seinem Team; Luft nach oben gibt es trotzdem. „Unser Ziel ist es, noch mehr Landwirte zu erreichen und sie vom Nutzen unseres uneigennützigen Angebots zu überzeugen“, bekräftigen Ulli Weidner und seine Mitstreiterin Barbara Bausch (44), Vorstandsmitglied der Vereinigung Tier- und Naturschutz Unterer Vogelsberg e.V.
Freiwillige gesucht
Das Projektteam Kitzrettung-Hilfe bereitet sich jetzt schon auf die Mahd 2019 vor und sucht Freiwillige. Wie man helfen kann, zeigt die neue Plattform im MK „Hilfsnetzwerk Osthessen“.Hintergrund: „Ganz gewiss wollen wir niemanden an den Pranger stellen oder gar anzeigen, aber wir möchten den Landwirten dabei helfen, einer Gesetzespflicht zu entsprechen, wonach beim Mähen nach Möglichkeit keinem Wirbeltier Schaden zugefügt werden soll, stellt Barbara Bausch klar.
Getötete Rehkitze können empfindlich hohe Geldstrafen nach sich ziehen, gegebenenfalls auch Freiheitsentzug. „Steht eine Anzeige im Raum, ist das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen“, so Bausch weiter. Ihr Ziel bezieht sich auf die Prävention vor der Mahd. Doch selbst wenn die rechtliche Lage eindeutig die Position der Kitzretter begünstigt, ist die praktische Umsetzung oft schwierig und abhängig von mindestens drei Akteuren: von der Witterung, vom Jagdpächter und von den Landwirten. Sobald ein konkreter Mahdtermin feststeht, informiert der Landwirt den Jagdpächter darüber, denn nur der Jagdpächter darf Wildtiere vorm Mähen aus der Wiese entnehmen lassen. Bestenfalls werden dann die Kitzretter vom Jagdpächter über den Termin informiert, die sich wiederum organisieren und einen Tag vor der Mahd zum Ort des Geschehens ausrücken.
Ein solch konzertiertes Zusammenspiel klappt aber nicht immer: „Witterungsbedingt fällt die Entscheidung zum Mähen zuweilen erst Stunden vorher – zu kurzfristig, um Helfer-Teams zu informieren. Trotzdem ist mir und vielen meiner Kollegen der Schutz der Tiere eine Herzensangelegenheit, den ich seit Jahren mit viel Engagement verfolge“, beschreibt Landwirt Volker Lein die Situation aus seiner Sicht. Mit Vergrämungsmaßnahmen wie Flatterbändern, mit dem Absuchen seiner über 100 Schläge und mit Hilfe von Hunden und Schallkanonen an der Mähmaschine vertreiben er und seine Kollegen aus dem Dorf das Wild vor und während der Mahd. Damit gehört Lein zu jenen 80 Prozent der Landwirte, die sich tatkräftig um Kitzrettung bemühen. Als ehrenamtlicher Vizepräsident des hessischen Bauernverbandes vertritt er im Allgemeinen die Position des Projektteams und betont, dass der Verband schon viel Aufklärungsarbeit geleistet habe.
Kritisch beäugt Landwirt Lein allerdings jene mitunter sehr unversöhnlichen Tier- und Naturschützer, die einen gewöhnlichen Arbeitsablauf boykottieren und die Leute gegeneinander aufhetzen. Als “heikle Gratwanderung“ bezeichnen auch Bausch und Weidner die Kommunikation zwischen den Parteien, die nur dann aufs rechte Gleis gebracht werden kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Dafür eigne sich die Plattform Kitzrettung-Hilfe hervorragend.
Unterstützung gesucht: Ein Ziel ist der Ausbau des Hilfsnetzwerks. Das Projektteam wünscht sich ein flächendeckendes Netzwerk in allen Bundesländern, über das sich Helfer, Landwirte und Jäger bzw. Jagdpächter austauschen und verabreden können. Dafür sucht Kitzrettung-Hilfe weitere ehrenamtliche Helfer und verantwortungsbewusste Landwirte, die sich in der Datenbank der Initiative registrieren. „Helfer geben durch ihre Postleitzahl ihren Standort an und bestimmen außerdem den Radius, in dem sie beim Absuchen kurzfristig mithelfen können“, erklärt Barbara Bausch und versichert, dass der Ablauf anonymisiert ist. Registrierte Landwirte geben den Mahdtermin online bekannt und bitten auf diese Weise um Unterstützung beim Absuchen der Flächen.
Schulklassen können helfen
Hilfe kann das Team auch im Bereich Kommunikation gut gebrauchen. Aufgerufen sind dabei vor allem Schulklassen, die sich mit dem Thema beschäftigen, Flatterbänder basteln oder ähnliche Vergrämungsmethoden entwickeln. „Im Frühjahr sind diese Schulklassen während eines Wandertags quasi als Botschafter von Hof zu Hof gezogen, haben ihre Windräder und Flatterbänder bei den Landwirten abgegeben und diese so noch einmal an ihre Verantwortung erinnert“, erzählt Bausch. Unterrichtsmaterial und ein Leitfaden für Schulklassen steht zum Download auf der Homepage bereit.
Exkurs: Einsatz von Drohnen
Seit letztem Jahr hat sich die Wärmebildortung mit Drohnen beim Projektteam besonders bewährt. „Wir können anhand der Wärmebildkameras genau sehen, wo ein Tier abgelegt wurde und mit Hilfe der Koordinaten ganz gezielt hingehen. Unser Team besteht aus einem Piloten, der die Drohne steuert, einem Spotter, der die Wärmesignatur zuweist und einem Sucher und Fänger, der das Tier gemeinsam mit dem Jagdpächter aus dem Feld holt“, erklärt Jörg Fuchs (48), Geschäftsführer des RC-Modellbaukellers und Luftbildservice mit Sitz in Gelnhausen. 30 Jahre Berufserfahrung machen aus ihm einen echten Profi, denn das fachmännische Steuern des Flugobjektes und Finden will gelernt sein.
Jörg Fuchs und seine Frau Anita (44) sind auch Tierschützer, doch ihre Technik und Erfahrung können sie nicht umsonst bieten. 75 Euro pro Stunde kostet der Einsatz, über ein ganzes Jahr kann man die Drohnen für 1.500 Euro buchen. Effizienz, Zeitaufwand und Erfolg sprechen wiederum für die kleinen Fluggeräte, die Fuchs auch in der Maisjagd-Saison einsetzt.
Neben den Kosten gibt es allerdings weitere Einschränkungen. So dürfen Drohnen nicht in Naturschutz- und Vogelschutzgebieten fliegen, auch nicht in der Nähe von Autobahnen, Windkraftanlagen oder Starkstromtrassen. Jörg Fuchs ärgert sich darüber: „Tierschutz müsste eigentlich im öffentlichen Interesse stehen und, ähnlich wie Polizei oder Feuerwehr, von derartigen Verboten befreit werden.
Das Projekt Kitzrettung „Gemeinsam gegen den Mähtod“ ist eine Initiative der Jägervereinigung Lauterbach, des Vereins Tier- und Naturschutz Unterer Vogelsberg e.V. und des Tierschutzverein Birstein.
Weitere Informationen, Bilder und Downloads unter www.kitzrettung-hilfe.de. Dort können sich Helfer, Landwirte und Jäger in der anonymen Datenbank registrieren und aktiv mithelfen.
Ansprechpartner für alle weiterführenden Belange ist Ulli Weidner, Jägervereinigung Lauterbach, unter Tel. (06642) 406 28 27 oder Anke Feil vom Tier- und Naturschutz Unterer Vogelsberg e.V. unter Tel.: (06668) 919 93 77. E-Mail: info(at)kitzrettung-hilfe.de
Rehkitze in Not - 3. Projekt-Treffen
Tierschützer, Jäger und Landwirte ziehen an einem Strang
Weit über den Vogelsberg hinaus hat das „Projekt Kitzrettung“ inzwischen seine Kreise gezogen, wie beim dritten Treffen der Gruppe im Lauterbacher Posthotel Johannesberg zu bemerken war. Fast dreißig Leute konnte Hans-Ullrich Weidner, Vorsitzender der Jägervereinigung Lauterbach und treibende Kraft beim Kitzrettungsprojekt, begrüßen. Tierschützer, Jäger und Landwirte waren zu fast gleichen Teilen vertreten und verfolgten das gleiche Ziel: Das grausame „Ausmähen“ von Rehkitzen, aber auch anderen Tieren wie Junghasen und Bodenbrütern, zu verhindern, wo es nur geht.
Begonnen hatte die Aktion im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit. Nach einem ersten Treffen mit intensivem Austausch von Wissen und Erfahrungen bildeten sich die ersten Rettungsteams und führte Berufsjäger Reiner Schneider Crashkurse zur Rehwildrettung durch, wurden Hilfsmittel wie Schallkanonen und „Scheußeln“ angewendet, Multikopter („Drohnen“) wurden ausprobiert und erfolgreich angewendet.
Ein Schulprojekt zum Thema begeisterte Schülerinnen und Schüler, aber auch involvierte Landwirte.
Sehr gut bewährt hat sich das „Dreigespann“ aus Jagdpächter, der die Aktion koordiniert, dem Landwirt, der bestimmt, wann und wo gemäht wird und den Helfern, die auf Anruf des Jagdpächters anrücken und nach seiner Anweisung Wiesen ablaufen und verstänkern, Rehwildscheuchen stellen und sofort nach der Mahd wieder abbauen, das Rehwild vergrämen, aber auch organisieren, Anweisungen weiterleiten, Chauffeursdienste leisten, für das leibliche Wohl der Rettungsteams sorgen und so weiter – Helfer werden an allen Ecken und Enden gebraucht, es gibt nie genug!
Nach einem kurzen Rückblick über die vergangene Mähsaison durch Katharina Jacob (Jägervereinigung Lauterbach) stellte Barbara Bausch (Tier- und Naturschutz unterer Vogelsberg e.V. (TiNa)) die neue Website vor, in die potentielle Helfer, aber auch interessierte Landwirte und Jäger sich eintragen könnten. Die Adresse lautet www.kitzrettung-hilfe.de. Bausch führte durch die Veranstaltung und gab zudem einen Ausblick auf künftige Aktivitäten des Teams.
Multikopter mit Wärmebildkameras stellte der erfahrene Drohnenpilot Jörg Fuchs mit seinem Team vor. Die von den Drohnen gemachten Luftaufnahmen beeindruckten auch diejenigen, die bei seinen Vorführungen noch nicht dabei sein konnten. Bereitwillig gab er Auskunft über Einsatzmöglichkeiten, aber auch Kosten, die die Arbeit mit Hexa- und Oktokoptern mit sich bringt.
Wichtig war den Kitzrettern der Austausch mit Rettungsteams aus anderen Teilen Deutschlands. Annette Pfeil aus Reichelsheim im Odenwald, die auf über zehn Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet zurückblicken kann, gab Tipps und Ratschläge zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Menschen wie Veganern und Jägern. Pfeil freute sich außerordentlich über ein zweites „Asterix-Dorf“, das dem Mähtod erbitterten Widerstand leiste. Ganz besonders deutlich wies sie darauf hin, dass Streitereien Rettungsaktionen sehr negativ beeinflussten. Weder Diskussionen über die Jagd, noch Ausführungen über einzelne Tierschützer gehörten in den Dunstkreis eines Rettungseinsatzes, ebensowenig seien hier Themen wie die Windkraft, Glyphosat oder vermeintliche „Untaten“ von Naturschutzorganisationen am Platze, warnte Pfeil. Beim Retten gebe es nur eins: Das Rehkitz. Sonst nichts.
Pfeil betonte des Weiteren, wie wichtig Mundpropaganda bei solchen Einsätzen sei. Das Retten von einzelnen Tieren, die konkrete Hilfe, die der Tierschützer hier leisten könne, sei durch nichts zu ersetzen und für jeden Beteiligten ein Erlebnis, so Pfeil. Anwesende, die bereits bei einem Einsatz dabei waren, konnten das nur bestätigen. Über akustische Vergrämungsmittel informierte die Tierschützerin Inge Schmitt. Sie stellte eine neue Generation solche „Scheuchen“ vor, die mit blauem Licht und für das Rehwild unangenehmen Geräuschen die Ricken beunruhigen und dazu bringen, ihre Kitze vor der Mahd aus der Wiese zu führen.
Dadurch, dass die akustischen und optischen Signale unregelmäßig auftreten, wird ein Gewöhnungseffekt von Seiten der Ricke weitgehend vermieden. Auch Probleme wurden angesprochen. So muss in FFH-Gebieten auf Schwarzstorch und Rotmilan Rücksicht genommen werden, für Drohneneinsätze ist eine Ausnahmegenehmigung nötig.
Ein Gespräch mit der Oberen Naturschutzbehörde wird in Kürze stattfinden, wie Frank Leinberger, der Leiter der Unteren Jagdbehörde, bestätigte. Zudem dürfen Anwohner von den Geräuschen der Wildretter nicht belästigt werden, was jedoch auch tunlichst vermieden wird, zumal der Einsatz solcher Geräte nicht lange dauert und die Scheuchen nur einen Tag vor der Mahd aufgebaut werden, um sofort nach der Mahd wieder zu verschwinden.
Schwierig in die Situation der Rehwildretter im Rodgau, wie Thomas Köthe von der „Aktion Rehkitz Rodgau“ berichtete. Köthe und sein Team staunten über die gute Zusammenarbeit von Jägern, Landwirten und Tierschützern im Vogelsberg und freuten sich, als die Anwesenden ihre Hilfe zusagten. Sowohl die Rodgauer als auch die Vogelsberger setzten große Hoffnung in Erfahrungsberichte von Jägern für Jäger, die den rodgauer Jägern und Landwirten bestätigen sollen, dass niemand sich in jagdliche Belange einmischen möchte, sondern dass vielmehr Unterstützung und Mitarbeit angeboten wird.
Wer sich an der Kitzrettung beteiligen möchte, kann sich unter www.kitzrettung-hilfe.de eintragen bzw. ein Mitglied des Orga-Teams kontaktieren: Barbara Bausch, E-Mail welcome(at)bausch-partner.de, oder Hans-Ullrich Weidner, E-Mail weidner-grebenhain@t-online.de
Kitzrettung - machen Sie mit und helfen!
Der eine kennt Bilder aus dem Internet, so mancher Jäger oder Landwirt hat es hingegen live erleben müssen: Wie schnell ist ein Rehkitz im Feld übersehen, wie schnell hat die Mähmaschine zugeschlagen! Verletzte Tierkinder lassen niemanden kalt, besonders wenn es sich um Rehkitze handelt mit Hilfe suchenden Blicken und herzzerreißenden Schreien!
Dies zu vermeiden haben sich zahlreiche Landwirte, Jäger, Natur- und Tierschützer auf die Fahnen geschrieben und sich jetzt zu einer großen Hilfsaktion zusammengetan, die weit über den Vogelsberg hinaus Wogen schlägt.
Möchten Sie mithelfen? Sind Sie Jäger/in, Landwirt/in oder einfach interessierter Naturschützer mit einem Herz für Tiere? Dann tragen Sie sich gerne für die Aufnahme in unserer Website https://kitzrettung-hilfe.de/ ein! Wir brauchen jede helfende Hand, jedes denkende Hirn, jedes mitfühlende Herz.
Egal, ob Sie Rehwildscheuchen bauen und aufstellen, ob Sie Rehkitze aus dem zu mähenden Feld sammeln möchten, ob Sie einen Hund oder auch eine Drohne besitzen, der oder die die Felder absuchen kann oder ob Sie über Erfahrung und Wissen verfügen, die den Kitzen helfen können, Sie alle sind hochwillkommen um den Kleinen schreckliches Leiden oder einen grausamen Tod zu ersparen.
Genaueres erfahren Sie bei Barbara Bausch (welcome(at)bausch-partner.com) oder Hans-Ullrich Weidner (weidner-grebenhain(at)t-online.de) .